"Happy Friday, gorgeous! – Endlich Wochenende yesss!"
Für viele von uns ist Freitag der Tag, an dem man gerne am Abend etwas mit Freunden unternimmt, vielleicht gemütlich etwas trinken geht oder auch in den Club, um zu tanzen.
Leider kommen mit solchen Abenden auch häufig verbale Belästigungen. Bei diesem sogenannten Catcalling wird man im öffentlichen Raum verbal oder durch Pfeifen, Kussgeräusche oder ähnlich Obszönes sexuell belästigt und ohne Einverständnis auf das Äußere reduziert. Die traurige Wahrheit ist, dass fast jede weiblichgelesene Person unangenehme Situationen wie diese kennt.
Eine Studie der Washington University zeigt, dass von 811 befragten Frauen nur drei bestätigten, noch nie Betroffene von sexueller Belästigung auf offener Straße geworden zu sein.
Catcalling, verbale Belästigung und andere Formen von sexualisierter Gewalt passieren, wie von uns im Intro beispielhaft dargelegt aber nicht nur abends nach dem Feiern auf dem Heimweg, wenn man alleine durch eine dunkle Gasse läuft. Es ist ebenso Realität, am helllichten Tage inmitten der Öffentlichkeit Opfer eines solchen Angriffs zu werden. Um gezielt diese vielseitigen Erfahrungen sichtbar zu machen, setzen sich verschiedene Aktivist:innen on- und offline ein.
Beispielsweise beschäftigen wir uns in unserem Ratgeber Melationship for him mit dem Thema Flirten in Zeiten von Catcalling und geben Tipps, wie wir uns gegenseitig unterstützen können, damit sich alle in der Öffentlichkeit sicherer fühlen.
Im Bezug auf Sichtbarkeit von individuellen Erfahrungen sind @catcallsof-Accounts nicht mehr wegzudenken.
Was genau die zugehörigen Aktivist:innen tun und wie ihr Alltag im Umgang mit diesen sensiblen Themen aussieht, erfährst du im folgenden Interview mit Freiwilligen von @Cattcallsofmainz.
@Catcallsofmainz – das Interview
[TW: sexualisierte Gewalt, reproduzierte sexualisierte Gewalt, reproduzierte Queerfeindlichkeit]
Mögt ihr euch kurz einmal vorstellen? Wer seid ihr und was macht ihr?
Wir sind Aktivist:innen von @Catcallsofmainz und wir machen sexuelle Belästigung durch ankreiden sichtbar.
Wie viele Leute engagieren sich derzeit bei @catcallsofmainz? Und macht ihr das ehrenamtlich?
Ja, wir machen alles in unserer Freizeit neben Studium, Arbeit etc. ohne „Verdienst”. Momentan sind wir ca. 10 aktive Mitglieder, wir sind aber gerade dabei, das Team zu vergrößern.
Was heißt eigentlich Ankreiden und wie kann man sich den Prozess vorstellen? Und was ist das Ziel einer solchen Ankreide-Aktion?
Unter Ankreiden verstehen wir das öffentliche Sichtbar-Machen von sexueller Belästigung mithilfe von Straßenmalkreide. Wir bekommen die Geschichten und Erlebnisse von Betroffenen per Instagram oder Mail zugesandt. Dann ziehen wir mit unserer Kreide los zu der Stelle, an der die Belästigung stattgefunden hat, um genau das, was der Person gesagt wurde, auf die Straße zu schreiben. Wir setzen den Catcall immer zwischen den Hashtag #stopptbelästigung und unseren Instagramnamen. Von der fertigen Kreidung machen wir ein Foto und laden dieses dann mit der kompletten Nachricht (natürlich anonymisiert) auf unserem Account hoch. Ziel ist es einerseits, den Betroffenen den Raum zurückzugeben, der ihr durch den Catcall genommen wurde, sowie andererseits Aufmerksamkeit und ein Bewusstsein für das Thema Belästigung zu generieren. Dadurch, dass wir die Geschichten von Betroffenen selbst erhalten, können wir die ganze Bandbreite und Varietät sexueller Belästigung abbilden und sorgen somit dafür, dass auch „unsichtbare“ Belästigung als solche erkannt wird.
Wie seid ihr selbst dazu gekommen mitzumachen?
Wir sind alle auf unterschiedlichem Wege zu den Catcallsofmainz gekommen. Bei vielen war es der Wunsch, nach eigenen erlebten Catcalls etwas dagegen zu tun, andere kamen aus einem Gefühl der Frustration und Wut über die empfundene Ohnmacht zu uns.
Welche Geschichten werden von euch letztendlich angekreidet?
Wir bekommen zwischen 2 und 5 Nachrichten täglich und kreiden alle an, die uns von Betroffenen selbst geschildert werden und in Mainz passiert sind. Dadurch, dass es so viele Einsendungen sind, kann es allerdings etwas dauern, bis die Geschichte angekreidet und gepostet wird. Aber wir behandeln alle uns zugesandten Geschichten mit dem gleichen Stellenwert.
Welches Feedback bekommt ihr, wenn ihr gerade ankreidet oder auch im Nachhinein?
Wir bekommen sehr unterschiedliche Reaktionen. Oft kennen Passant:innen uns auch schon und folgen uns bereits auf Instagram. Natürlich kennen uns nicht alle, daraus ergeben sich oft interessante Gespräche. Manchmal werden wir leider auch beleidigt oder bedroht. Das ist auch der Grund, weshalb wir nie alleine ankreiden gehen.
Wie geht ihr mit dieser Belastung um, regelmäßig so erschreckende Geschichten zu lesen/hören oder härtet die Regelmäßigkeit fast schon ab?
Wir wechseln uns mit der Verwaltung des Instagram-Accounts wöchentlich ab, sodass wir nicht durchgängig einer Belastung ausgesetzt sind. Abgesehen davon sind wir mit dem Frauennotruf Mainz vernetzt, die uns angeboten haben, dass wir jederzeit bei ihnen eine Beratung bekommen können. Ansonsten härtet es auch leider ein wenig ab. Manchmal kommt es auch vor, dass eine:r von uns sich mal für ein paar Wochen zurückziehen muss, weil es zu viel wird. Das ist immer möglich, wir unterstützen uns da auch intern.
Gibt es eine Geschichte/Erfahrung, die euch ewig in Erinnerung bleibt?
Wir wurden selbst beim Ankreiden von einem aggressiven Mann als „Scheß Kamflesben” beleidigt. Der hat dann auch unsere Kreidung mit Wasser übergossen, sodass man sie kaum noch lesen konnte. Doch wir haben uns diesen Raum ein paar Wochen später zurückgeholt, indem wir dieses Erlebnis wiederum ankreiden gegangen sind.
Wie ist das, habt ihr an den Orten, an denen ihr mal eine Erfahrung angekreidet habt, auch nach Verschwinden der Nachricht eine andere Wahrnehmung als vorher?
Eigentlich nicht, da Catcalling leider überall passiert, egal ob Innenstadt oder kleiner Vorort. Trotzdem ist es manchmal unvermeidbar, dass sich ein mulmiges Gefühl einstellt, wenn wir an einer Stelle bereits häufiger kreiden mussten.
Was habt ihr selbst für Tipps und Anregungen gegen Catcalling? Wie geht ihr mit einer solchen Situation um?
Je nach Situation unterschiedlich. Wichtig ist natürlich, sich nicht in eigene Gefahr zu bringen. Wir selbst reagieren unterschiedlich, abhängig von Situation oder wie wir uns in dem Moment fühlen. Wichtig ist aber: Jede Reaktion ist richtig, auch wenn Betroffene gar nicht reagieren, ist das angemessen. Da gibt es kein richtig und kein falsch.
Wie können sich andere Interessierte informieren, euch unterstützen oder auch ggf. aktiv mitengagieren?
Die einfachste Art, mit unserer Arbeit in Kontakt zu kommen, ist über unseren Instagramaccount @catcallsofmainz. Wir haben auch eine E-Mail-Adresse: catcallsofmainz@posteo.de. Darüber nehmen wir auch Einsendungen zum Ankreiden, sowie Kooperationsanfragen entgegen. Unterstützen kann man uns, indem man die Message verbreitet und über die bekannten Mechanismen mit unserem Account und unseren Beiträgen interagiert. Ansonsten freuen wir uns natürlich auch immer über Kreidespenden. Momentan sind wir schon dabei, unser Team zu vergrößern, deshalb können wir zum aktuellen Zeitpunkt keine neuen Aktivist:innen mehr aufnehmen. Doch sobald wir wieder Verstärkung suchen, erfährt man das als Erstes über Instagram.
Gibt es sonst noch etwas, dass ihr unbedingt allen Lesenden mitgeben möchtet?
Catcalling kann jeden Menschen unabhängig des Geschlechts betreffen. Das System, das solch ein Verhalten normalisiert hat, tut allen weh. Jeder Mensch kann sich an uns wenden, wir sind eine sichere Plattform für alle.
Euer Bauchgefühl ist immer richtig! Wenn ihr ein Erlebnis als belästigend empfunden habt, dann war es auch Belästigung. Catcalling ist kein Kompliment, es ist weder erstrebens- noch beneidenswert. Lasst euch also von niemandem erzählen, wie ihr das Erlebte zu bewerten habt.
Solidarisiert euch mit Betroffenen, aber drängt euch nicht auf. Wenn ihr mitbekommt, dass jemand gecatcallt wird, fragt, ob alles okay ist, spielt Situationen oder Gefühle der Betroffenen nicht herunter!
Es gibt mittlerweile in den meisten größeren Städten einen CatcallsofX Account, über den ihr euch mit anderen Betroffenen aus eurer Region solidarisieren und vernetzen könnt.
Falls ihr Hilfe braucht, wendet euch jederzeit an euren örtlichen Frauennotruf oder an das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen 08000 116 016.
>>> Mehr Hilfe- und Beratungsangebote findest du HIER.
Was sind eure Erfahrungen mit Catcalling? Und ist Catcalling ein Grund für euch nicht zu einem öffentlichen Ort zu gehen, sondern lieber zuhause zu bleiben? Schreibt uns gerne anonym eure Erfahrungen und Geschichten in die Kommentare. So können wir durch eure persönlichen Erfahrungen das Problem auch hier noch stärker sichtbar machen!
In diesem Sinne wünschen wir euch ein wunderschönes und catcallfreies Wochenende!
Passt auf euch und eure Liebsten auf
Leah & das #TeamMelationship
Schreib uns gerne deine Meinung!